Abt Marian von Castelberg

1669 wurde dieser als Sohn von Landschreiber Conradin von Castelberg und Anna Tyron geboren und am 12. Juli 1672 wahrscheinlich unter dem Namen Conradin gefirmt.1 1687 legte er als Marianus die benediktinische Profess ab und wurde 1693 als Priester geweiht.2 Im Kloster Disentis wirkte er zunächst als Lektor für Philosophie und Moral, übernahm daneben pastorale Aushilfsdienste in Surrein und Pigniu.3 Ab 1705 bis circa 1709 besorgte er die Verwaltung im Klosterhof in Trun, war dann Administrator des Klosters und schliesslich Dekan, bevor er zum Abt erwählt wurde. Am 29. Mai 1724 erfolgte die feierliche Weihe, wozu die weltlichen Behörden in Disentis/Mustér Wein ausschenken liessen.4

Trotz grosser Frömmigkeit führte er in der Stiftsleitung eine zu schwache Hand, wurde an der Landsgemeinde 1726 in Waltensburg/Vuorz sogar tätlich angegriffen.5 Dort spitzte sich das Zusammenleben mit den Protestanten immer mehr zu. Am 17. März 1727 führte Abt Marian mit «consens deß capitelss» einen Güterverkauf durch.6 Ein zeitgenössisches gedrucktes Mitgliederverzeichnis zählte neben ihm 18 Mönche (fratres), 2 Professe (fratres professi) und 3 «fratres conversi» auf.7

Auch im Konvent offenbarten sich Parteiungen, einerseits zwischen auswärtigen Patres und Rätoromanen, andererseits zwischen den Parteianhängern von Castelberg und von der Familie Latour. Darum sorgten sich die anderen Benediktinerabteien. Abt Marian wehrte sich nach mehreren Visitationen gegen die Reformen der zugesandten Patres aus Muri.8

In den Auseinandersetzungen mit der Gerichtsgemeinde Waltensburg gab er nach, so dass sich 1734 die protestantische Nachbarschaft Waltensburg/Vuorz loskaufen und ein eigenes Gericht bilden konnte, während die anderen Dörfer (Rueun, Andiast, Pigniu und Schlans) weiterhin seiner Oberherrschaft folgten.9 Die bereits bestehenden Zehntenverweigerungen in Breil/Brigels arteten ab 1736 zu Obstruktionen in der gesamten Cadi aus.10

Angestachelt von der Latour-Partei zirkulierten viele Flugschriften, welche die Klosterrechte bestritten und die darauf beruhenden Einkünfte in Frage stellten. Wegen der Rebellion wurde die Gerichtsgemeinde Disentis/Cadi aus dem Oberen Bund ausgeschlossen, die Sitzungen von 1736 und 1737 fanden nicht in Trun, sondern in Reichenau oder Ilanz statt.11 Erst die Mediation der anderen zwei Bundshäupter, des Churer Bischofs und der ausländischen Gesandten führte zum Kompromissurteil vom 23. März 1737, das den Loskauf der klösterlichen Zehnten-Abgaben gewährte.12 Damit wurden die Klosterökonomie einigermassen für die Ausfälle entschädigt. Im Vorjahr war sein umtriebiger Grossneffe Johann Ludwig deswegen geächtet worden, der einen unheilvollen Einfluss auf ihn ausübte, indem er die Streitigkeiten für eigene Interessen missbrauchte.13

Die wiederholte Visitationskritik wegen Mängeln an der administrativen und disziplinären Leitung führten zu einem Zerwürfnis zwischen Abt Marian und dem Konvent.14 Die stiftsinternen Intrigen verunmöglichten eine geregelte Klosterführung. Trotz nachlässiger Haushaltung gelangen Abt Marian mehrere liturgische Anschaffungen sowie der Einbau einer kleinen Orgel im Chor. Ausserdem liess er aus den Stiftungsmitteln seiner Mutter einen Mater Dolorosa-Altar errichten, beschaffte neue Reliquien und bemühte sich um die Renovation der Druckerpresse.15 Der Kapuziner Flaminio da Sale ehrte Abt Marian als «grosszügigen Patron», der ihn die Klosterbibliothek benutzen liess.16 Kurzzeitig habe der Klostervorsteher Münzprägungen in Reichenau vorgenommen; bekannt ist ein 1729 geschlagener Kreuzer.17 Er war damit der letzte Disentiser Abt, der Klostermünzen schlagen liess.

Nachdem die Familie von Castelberg am Cumin (Landsgemeinde) 1735 ihre Machtposition einbüsste, wollte der Nuntius aus Luzern in der Klosterführung durchgreifen. Er installierte Pater Maurus Venzin als Administrator, um die Klostergeschäfte zu kontrollieren.18 Der wassersuchtkranke Abt wurde aber noch vom Kaiser bzw. dessen Gesandten in Graubünden protegiert.19 Erst nach weiterem Druck resignierte er 1737, liess sich durch den Verwalter stellvertreten und dankte nach dem vernichtenden Visitationsbericht des St. Galler Abtes 1742 ab. Pater Bernhard Frank von Frankenberg – nachmaliger Klostervorsteher – wurde als Koadjutor eingesetzt.20

Am 28. Dezember 1742 starb Abt Marian in Disentis/Mustér und wurde in seiner Stiftskirche begraben.21 Den dramatischen Abtritt als entthronter Fürstabt begründete Pater Placidus Spescha damit, dass er sich «mehr seiner Familie als seinen Amtspflichten zu dienen bedacht[e]».22 Im gleichen Ton tadelte der Benediktinerhistoriker Ambrosius Eichhorn die weltlichen Beeinflussungen: «laicorum male feriatorum consilis usus».23 Es waren also die familiären und politischen Verstrickungen, die zu dem unrühmlichen Ende führten.

Dr. phil. Adrian Collenberg (*1966)
Studium in Allgemeiner Geschichte, Rätoromanistik und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Zürich Mitarbeiter der Schweizerischen Rechtsquellenstiftung
Verschiedene Editionen und Publikationen zu Rechts- und Sozialgeschichte in Graubünden

Fussnoten

1 Brunold/Collenberg 2012, S. 47 und 167; Poeschel 1959, S. 281.
2 Schumacher 1914, S. 46f.; vgl. auch HBLS 2, S. 509f.; HS III/1, S. 505; HLS 3, S. 229; LIR 1, S. 159.
3 Brunold/Collenberg 2010, S. 290; Poeschel 1959, S. 281.
4 Müller 1971, S. 139; Brunold/Collenberg 2010, S. 182.
5 Müller 1961, S. 47.
6 Brunold/Collenberg 2010, S. 132
7 KBG Bfu 3575.
8 Müller 1960, S. 237; Müller 1971, S. 139.
9 SSRQ GR B III/1, Nr. 685.
10 TomascheO 1954, S. 49ff.; Poeschel 1959, S. 283ff.
11 Vgl. StAGR AB IV 3/17, S. 165 und 199.
12 Poeschel 1959, S. 286f.; Müller 1960, S. 428ff.; SSRQ GR B III/1, Nr. 873 und 880.
13 «Ils Castelbergs giugavan pia mulin e muliniala.» (Maissen 1979, S. 55)
14 Poeschel 1959, S. 287f.; Müller 1971, S. 144.
15 KDGR V, S. 54; Poeschel 1959, S. 297; Schönbächler 1999, S. 28; Gadola 1934, S. 208f.
16 Zwyssig 2018, S. 66.
17 Poschel 1959, S. 299f.; Divo/Tobler 1974, S. 341 und 343.
18 Wenzin 1748; Müller 1971, S. 144.
19 Poeschel 1959, S. 294.
20 Müller 1971, S. 145; Schmid 1957, S. 31ff.
21Poeschel 1959, S. 300; zu seiner Grabtafel vgl. KDGR V, S. 70.
22 Pieth/Hager 1913, S. 59.
23 Eichhorn 1797, S. 264f.

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