Burganlage Castelberg

Die Herren von Castelberg bauten eine ihrer Burgen am Eingang in die Val Lumnezia, südöstlich und etwas unterhalb von Luven auf einem aus der Bergflanke heraustretenden Hügel.1 Von hier aus liess sich der Weg, über Porclas in die Val Lumnezia kontrollieren.2 Zudem lag die Burg unmittelbar an der im Mittelalter viel begangene Route über den Valserberg nach Hinterrhein und war damit direkt am Versorgungsnetz unterschiedlichster Güter angeschlossen.3

Die Herren von Castelberg entstammen, wie die von Löwenstein bei St. Nikolaus in Ilanz, dem alten Lugnezer Adelsgeschlecht der von Übercastel aus Surcasti. Kein Zufall also, dass die Burg Castelberg an derselben Verbindungsroute wie ihre 11704 gebaute Stammburg errichtet worden ist. Auch ihr Name Castelberg leitet sich von der Stammfamilie Übercastel ab, dem Wortbestandteil «castel[lum]» wurde «berg» hinzugefügt.5 Der Name Castelberg taucht erstmals in einer Urkunde von 1289 auf.6 In ihrem Wappen führten sie wie der übrige Familienzweig den Kopf eines Pfaus im Schild.7 Sie gehörten zum ländlichen Kleinadel und standen u.a. als Ministerialen im Dienst des Bischofs von Chur.8 Die von Castelberg besassen unter anderem Güter bei Surcasti, ein Gehöft bei Morissen sowie Häuser in Cumbel und Degen und sowie einzelne Güter in Vignogn und in Luven. Unweit ihrer Burg, in der Kirche von Luven, befand sich angeblich die mittelalterliche Begräbnisstätte der von Castelberg.9 Für die Burg ist kein genaues Baujahr überliefert, sie dürfte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert erbaut worden sein. Schriftlich erwähnt wird sie erstmals in einer Urkunde von 1391.10 Zur Anlage gehörte ein landwirtschaftlicher Hof, dessen Erzeugnisse stellten die Ernährung der Burgbewohner sicher.11 Die Burg wird von den Einheimischen auch «Casti de Chischlatsch» und von den Lugnezern Casti da Gatg genannt.12 Sie ist heute im Besitz der Victor von Castelberg-Stiftung, Zürich.

Abbildungen 1–2 (oben)

Burgruine Castelberg

Die nur knapp 600 m² grosse Hügelkuppe bot nicht viel Platz für den Bau einer Burganlage. Bergseits war das künstlich angelegte Plateau durch eine natürliche Böschung und gegen den Glogn/Glenner hin durch jäh abfallendes Gelände begrenzt. Im Zentrum der Hügelkuppe steht der viereckige Turm, der von der annähernd rechteckigen bis leicht abgewinkelten Umfassungsmauer (Bering) geschützt ist. Innerhalb des Berings stand mindestens eine Nebenbaute, von welcher noch spärliche Überreste erhalten sind. Am Fuss des Burghügels dürften die zur Burg zugehörigen Stallgebäude gestanden haben.13

Abbildung 3 (oben)

Im Jahr 2017 sanierte die Victor von Castelberg-Stiftung die Mauerkrone des ansonsten gut erhaltenen Turms. Der Archäologische Dienst Graubünden begleitete die Sanierungsarbeiten und dokumentierte die baulichen Befunde und Details. Dabei wurden auch im Turm verbaute Hölzer mittels der Dendrochronologie (jahrgenaue Datierung von Hölzern) untersucht, um ihr Alter und damit die Bauzeit zu bestimmen. Da keine zufriedenstellenden Ergebnisse resultierten, wurden 2018 an der ETH Zürich 14C-Messungen von einzelnen Jahrringsequenzen eines Balkens durchgeführt. Dabei konnte die Bauzeit des Turmes auf den Zeitraum 1229–1280 eingegrenzt werden.14 Die Gestaltung der Fenster und Türöffnungen, aber auch die Bauweise der Mauern und die Qualität des Mörtels und Verputzes lassen auf die Errichtung des Turms um die Mitte des 13. Jahrhunderts schliessen. Bei den in den Jahren 1968–1969 durchgeführten archäologischen Sondierungen, wurde im Burgareal eine hochmittelalterliche Kulturschicht angeschnitten. Unter anderem kamen dabei eine eiserne Messerklinge, datiert um 1300, das Bruchstück eines Topfes aus Speckstein (Lavez) und Tierknochen zum Vorschein.15

Abbildung 4 (oben)

Der gut erhaltene Turm besitzt einen nahezu quadratischen Grundriss von 9 m Seitenlänge. Im Erdgeschoss sind seine Mauern rund 1,85 m stark. Das Mauerwerk ist lagerhaft geschichtet und besteht aus Bruchsteinen unregelmässiger Form und Grösse sowie einzelnen Findlingen. Der Turm weist vier Geschosse auf, die Dachform ist mangels Hinweisen am Bau nicht bestimmbar. Die Stockwerkeinteilung ist im Turminnern an den Balkenlöchern für die Geschossböden abzulesen. Der Zugang in den Turm war nur über den Hocheingang in der Ostmauer des dritten Geschosses möglich. An deren Fassade zeichnen sich im Verputz die Abdrücke einer Holztreppe ab, die zum Podest vor dem Hocheingang führte. Ein Pultdach über dem Hocheingang schützte den Eingang vor Regen und Schnee. Die Laibungen und der Sturzbogen des Hocheingangs sind aus sorgfältig zugehauenen Tuffsteinen geformt. Das dritte Geschoss war nur durch drei Schmalscharten beleuchtet.16

Abbildungen 5–6 (oben)

Die beiden unteren Geschosse wurden ebenfalls nur durch schmale Lichtscharten vom Tageslicht erhellt. Diese beiden Geschosse dienten vermutlich als Vorrats- und Abstellräume. Für das zweite und dritte Geschoss sind Mörtelboden nachgewiesen. Im dritten Geschoss befand sich nicht nur der Zugang in die Burg, sondern wohl auch eine Küche mit einer Herdstelle. Die beim Feuern entstandenen Rauchgase wurden mittels vier Entlüftungskanälen, deren Öffnungen sich direkt unter der Geschossdecke befinden, hinausgeführt. Eine Vorrichtung, die nur selten bei Burgen in Graubünden bekannt ist.

Wohnlich gestaltet war das vierte Geschoss, denn in die Nord- und in die Ostmauer sind zwei Sitznischenfenster eingebaut, die repräsentativen Zwecken und dem geselligen Zusammensein dienten. In der Westwand des vierten Geschosses kragte ein hölzerner Aborterker auf Steinkonsolen vor. Dieser wurde zu einem späteren, unbekannten Zeitpunkt entfernt und seine Türöffnung vermauert.17

Abbildungen 7–8 (oben)

Geschützt war das Burgareal mit einer rund 1 m starken, annähernd rechteckig verlaufenden Umfassungsmauer, die aber nicht das ganze Hügelplateau umschloss. Im Südwesten grenzt sie einen vermutlich weniger stark ummauerten oder mit einer hölzernen Palisade geschützten Vorhof ab. Bei der Untersuchung von 2017 in der dortigen Mauer des Berings, konnte die Laibung einer Öffnung, vermutlich des Burgtors, dokumentiert werden. Zudem liessen sich im südlichen Teil des Berings mehrere Gerüstlöcher aus der Bauzeit der Mauer und eine Schiesscharte feststellen.18

Abbildung 9 (unten)

Brand und möglicher Wiederaufbau

Starke Rötungen an den Steinen und am Verputz im Turminnern weisen auf ein Brandereignis hin, das den Innenausbau zerstörte. Von den Deckenbalken blieben angekohlte Stümpfe im Mauerwerk erhalten. Am Mauerwerk zeugen rote Verfärbungen von der Feuersbrunst. Offenbar wütete das Feuer nicht überall gleich stark. So überstand der hölzerne Sturzbalken des Hocheinganges das Feuer unbeschadet. Zeitpunkt und Ursache des Brandes sind ungeklärt, – war er die Folge einer Unachtsamkeit der Bewohner oder einer kämpferischen Auseinandersetzung? Für letzeres fehlen schriftliche und bauarchäologische Hinweise. Gemäss den Untersuchungen von 2017 könnte die Burg nach dem Brand wiederhergestellt worden sein. Darauf deuten partiell vorhandene Ausbesserungen des Verputzes im Innern des Turms.19

In einer Sitznische im vierten Geschoss lagen lose, unverbrannte Holzstücke, vermutlich zum Fenster gehörig.20 Das Fälljahr des verarbeiteten Stammes ist nach der dendrochronologischen Bestimmung in die Zeit um 1440/50 zu datieren. Die Hölzer könnten damit zur Wiederherstellung nach dem Brand gehören. Demnach war der Turm noch bis ins 15. Jh. bewohnbar. Der Brand und die folgende Wiederherstellung des Turmes fiele damit in die Zeit von Johann Wilhelm von Castelberg (1386–1452), dem vermutlich letzten Besitzer der Burg.21 Ein Familienzweig der von Castelberg war zu Beginn des 15. Jahrhunderts in die Stadt Ilanz übersiedelt.22 Als sie sich im Städchen niederliessen, wohnten bereits Mitglieder der Stammfamilie von Surcasti bereits dort angesiedelt. So besass Hartwig IV. von Übercastel schon 1390 ein Wohnhaus in Ilanz.23 Die familiären Beziehungen mit denen von Castelberg/Luven lassen sich jedoch nicht genauer bestimmen.

Abbildung 10 (unten)

M.A. Yolanda Sereina Alther (*1982)
Studium der Mittelalter-, Prähistorischen und Klassischen Archäologie an der Universität Zürich.
Arbeitet als Bauforscherin beim Archäologischen Dienst Graubünden.

Fussnoten

1 Poeschel 1959, S. 18.
2 Collenberg 2014, S. 57.
3 Poeschel 1929, S. 36; Clavadetscher 1994, S. 300f.
4 Sormaz 2011, S. 1–7.
5 Poeschel 1959, S. 16; Castelberg 1940, S. 2.
6 BUB III (neu), Nr. 1498.
7 Poeschel 1959, S. 16.
8 Decurtins 2013, S. 105.
9 Poeschel 1959, S. 18 und S. 46.
10 ADG: Fundstelle 1642, S. 1.
11 Poeschel 1959, S. 18 und S. 45.
12 Collenberg 2014, S. 57.
13 Meyer 1983, S. 24.
14 ADG: Fundstelle 1642, S. 1; Heinzle 2022, S. 27.
15 Clavadetscher/Meyer 1984, S. 86.
16 Heinzle 2022, S. 18–29.
17 Heinzle 2022, S. 11–29; Poeschel 1929, S. 247.
18 Heinzle 2022, S. 7.
19 Heinzle 2022, S. 26.
20 S. Positionsbeschreibung Pos. 95, ER67166, Archiv Archäologischer Dienst Graubünden.
21 Poeschel 1959, S. 64f.
22 Decurtins 2013, S. 105.
23 Poeschel 1959, S. 46; BUB VIII, Nr. 4610; SSRQ GR B III/1, Nr. 2.

Bibliographie (pdf)

Abb. 1: Die auf einem Hügel gelegene Burg Castelberg, nach Nordosten (Y. Alther).
Abb. 2: Die Burguine Castelberg, gezeichnet von Johann Jakob Rahn 1894. Foto: Zentralbibliothek Zürich, DOK-ID: 10.7891/e-manuscripta-31722.
Abb. 3: Der Turm der Burg Castelberg. Im vierten Obergeschoss, die später zugemauerte Öffnung für einen hölzernen Aborterker, nach Nordosten. (Y. Alther).
Abb. 4: Grundrissplan der Burganlage Castelberg. Im Zentrum der Hügelkuppe steht der Turm (1), eingefasst von der teilweise erhaltenen Umfassungsmauer (2) und dem vermuteten Burgtor (3); im Osten die Reste eines Nebengebäudes (4), (nach ADG).
Abb. 5: Die Ostfassade des Turms, mit dem Hocheingang im dritten und dem Sitznischenfenster im vierten Geschoss, im Verputz der Abdruck der Stufen der hölzernen Treppe zum Hocheingang (Pfeil), nach Westen (Y. Alther).
Abb. 6: Detail Ostfassade, Hocheingang. Über dem rundbogigen Eingang zwei Balkenlöcher für das Pultdach. Unterhalb des Hocheingangs, die Balkenlager der hölzernen Laube mit dem Treppenaufgang, nach Westen (Y. Alther).
Abb. 7: Sitznischenfenster in der Ostmauer des vierten Geschosses, nach Nordosten (ADG).
Abb. 8: Wandansicht der Nordmauer mit den Schartenfenstern im zweiten und dritten Geschoss (1,2) sowie der Sitznische im vierten Geschoss (3), dem Hocheingang (4) sowie den Entlüftungskanälen (5, 6), (nach ADG).
Abb. 9: Burg Castelberg, Innenansicht der westlichen Umfassungsmauer, nach Süden (Y. Alther).
Abb. 10: Burg Castelberg, Südmauer Innen, nach Südosten (ADG).

Hier finden sie Material zum Stifter, Guido von Castelberg.

Biografie Guido von Castelberg
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