Wohnsitz im Städtchen Ilanz/Glion

Noch bevor die Überkastel/Castelberg ihre Burgsitze in Surcasti und Luven im 15. Jh. aufgegeben hatten, besassen sie bereits Wohnsitze in der Stadt Ilanz/Glion. Ein Haus mit Hofstatt gehörte 1390 Hartwig von Überkastel, welches durch Stephan Sporer als Erblehen bewohnt wurde.1 Das Haus, welches in der Folge mehrmals seine Besitzer wechselte, lag an der gemeinen Strasse in der Nähe des Untertors.2 Eine andere Spur führt zum Obertor: Auf einer Ilanzer Stadtansicht von 1876 ist der Dachreiter des Hauses von Dekan Balthasar von Castelberg (1748–1835) im Hintergrund erkennbar. Hier richtete der Konvertit für die Katholiken des Städtchens eine Kapelle ein. Nach kurzzeitiger Nutzung als Schulstube kaufte J. J. Pfister das Haus in der Altstadt und eröffnete darin ein Kolonialwarengeschäft.3 Die genaue Lokalisierung dieses Hauses ist schwierig, es dürfte zwischen den Häusern Nr. 180 und 175 an der Städtlistrasse gelegen haben.4 Als ehemaliges Haus Castelberg wird auch das unweit davon befindliche Haus Nr. 159 an derselben Strasse bezeichnet.5 Die Türe und die beiden Fenster des Erdgeschosses des ehemaligen Castelberg-Haus sind mit kunstvollem Blattwerk in Steinhauerarbeiten ausgebildet.6 Eine Datierung ins 17. Jh. oder frühe 18. Jh. erscheint wahrscheinlich. Ab wann die Ilanzer Junkerfamilie von Castelberg in diesem Haus wohnte, bleibt jedoch ungewiss.

Abbildungen 1–3 (oben)

Entgegen der Annahme verschiedener Autoren lässt sich kein frühes Dienstverhältnis der Herren von Überkastel/Castelberg zum Kloster Disentis oder gar deren Wohnsitz im Ilanzer Klosterhof beweisen.7 Der Klosterhof in Ilanz/Glion wurde in der Amtszeit von Abt Thüring von Attinghausen–Schweinsberg (1327–1353) oder seines Nachfolgers Jakob von Buchhorn (1357–1367) als Verwaltungssitz des Disentiser Klosters St. Martin gebaut.8 Das unter dem Namen der jetzigen Besitzerfamilie Lutta geführte Haus (zuvor Haus Casparis, später evangelisches Pfarrhaus) steht im nördlichen Teil des Stadtkerns, an der Gassa Stefan Gabriel. Vielleicht erfolgte in diesem Haus 1395 die Gründung des Oberen Grauen Bundes auf Initiative von Abt Johannes II. (1367–1401), einem gebürtigen Ilanzer. Im kleinen Saal im Südwesten des Erdgeschosses findet sich an der Nordwand ein gemalter Wappenfries, datiert um 1430–1450. Unter den Wappen von Bündner Edelgeschlechtern war auch das der Familie Castelberg vertreten, dieses ist aber heute nicht mehr erhalten.9 In dem einstmals mit einem Gewölbe eingedeckten Raum soll sich zudem die Hauskapelle des Klosterhofes befunden haben.10

Abbildungen 4 (unten)

Beim Ilanzer Stadtbrand von 1483 brannte der Klosterhof mitsamt seiner Inneneinrichtung teilweise ab. Abt Johannes Schnagg (1464–1497) liess ihn in der Folge wieder neu aufbauen.11 Von der reichen, spätmittelalterlichen Innenausstattung zeugen nur mehr wenige Bauelemente, die den späteren Stadtbrand von 1880 unversehrt überstanden haben.12 Dazu gehören eine gewölbte, gotische Holzdecke und eine qualitätsvolle Türfassung mit dem Wappen des Abtes, letztere befindet sich heute im Rätischen Museum Chur. Daneben ist ein Inschriftenstein mit dem Wappen des Klosters St. Martin sowie des Abtes Schnagg mit dem Datum 1483 erhalten.13

Während des Zweiten Weltkrieges war in einem Nebenraum zum Saal mit dem Wappenfries eine Soldatenstube eingerichtet. In dieser hat der Kunstmaler Alois Carigiet (1902–1985) aus Trun 1939 figürliche Wandmalereien angebracht.14 Die Malereien an der Süd- und Westfassade des Erdgeschosses stammen von der Engadinerin Annina Vital (1910–1988) und dürften um 1950 entstanden sein.15

M.A. Yolanda Sereina Alther (*1982)
Studium der Mittelalter-, Prähistorischen und Klassischen Archäologie an der Universität Zürich.
Arbeitet als Bauforscherin beim Archäologischen Dienst Graubünden.

Fussnoten

1 Poeschel 1959, S. 46; BUB VIII, Nr. 4610; SSRQ GR B III/1, Nr. 2.
2 Gabathuler 2015, S. 52–53.
3 Maissen/Schmid 1977, S. 53; Redolfi 2015, S. 282.
4 Maissen/Schmid 1977, S. 56 und 82.
5 KDGR IV, S. 64.
6 KDGR IV, S. 64.
7 Collenberg 2015, S. 199; Poeschel 1959, S. 26.
8 Müller 1942, S. 150, 269 und 270.
9 Hübscher 1986, S. 572–578, KDGR IV, S. 60-61.
10 ADG Fundstelle 1373, S. 1; Müller 1942, S. 150; Müller 1940, S. 192.
11 Müller 1942, S. 232.
12 Poeschel 1925, S. 39.
13 ADG Fundstelle 1373, S. 1.
14 Bütikofer Senn 2016, S. 1–39.
15 Bütikofer Senn 2019, S. 1–30.

Bibliographie (pdf)

Abb. 1: Ilanz/Glion, hinter dem Obertor ist der Dachreiter des Hauses von Dekan Balthasar von Castelberg erkennbar. Aquarell von Themistocles von Eckenbrecher, 10. 06.1876 (Maissen/Schmid 1977, Abb. 11).
Abb. 2: Ilanz/Glion, Städtlistr. 159, ehemals Haus Castelberg, nach Westen (Yolanda Alther).
Abb. 3: Ilanz/Glion, Städtlistr. 159, ehemals Haus Castelberg, Details, nach Westen (Yolanda Alther)
Abb. 4: Ilanz/Glion. Disentiser Klosterhof (heute Haus Lutta), Wappenfries in der Abschrift von Pater Columban Buholzer aus dem Jahr 1894: 1 Valendas, 2 Rodels, 3 Lumbrein, 4 Rhäzüns, 5 Bischof Johannes Naso, 6 fehlt, 7 Abt Martin I. von Sax, 8 Belmont, 9 Raitnau, 10 Montalt, 11  Übercastel (Hübscher 1986, S. 582)

Hier finden sie Material zum Stifter, Guido von Castelberg.

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